Drei Meter hoch

Der 1. FC Kaiserslautern besiegt zwar den VfL Wolfsburg mit 2:0, steht aber wirtschaftlich immer noch am Abgrund

KAISERSLAUTERN taz ■ Erstmals seit langem saß Trainer Erik Gerets wieder gut gelaunt in der Pressekonferenz. Nach dem 2:0 des 1. FC Kaiserslautern gegen den VfL Wolfsburg hatte er endlich einmal keinen Grund, unerklärliche Schwächen seines Teams zu kommentieren. Ja, es war sogar ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht zu erkennen, als er eingestand, er sei bei den beiden Toren von Vratislav Lokvenc in der 15. Minute und von Lincoln 25 Minuten vor dem Spielende „drei Meter hoch in die Luft gesprungen“.

Welches Martyrium hatte der als Spieler und Trainer in Belgien und Holland so erfolgreiche Mann in seinen wenigen Monaten in der Pfalz bis dahin erleiden müssen! Querelen im Verein beherrsch(t)en die Diskussion, wichtige Spieler fielen bzw. fallen verletzt aus, der gerade neu gewählte Aufsichtsrat wollte ihn entmachten, und dazu sorg(t)en die Horrormeldungen über das Wirtschaftsgebaren der Vorgänger des neuen Vorstandsvorsitzenden René C. Jäggi für endlose Schlagzeilen.

Erst Mitte letzter Woche hatte das Gerücht die Runde gemacht, dem 1. FCK drohe ein weiteres Finanzloch von 20 Millionen Euro wegen nachzuzahlender Steuern bei den Personalien Taribo West und Youri Djorkaeff. Und zwei Tage vor dem Spiel gegen den VfL Wolfsburg hatte ein „Maulwurf“ aus der Kabine eine Boulevardzeitung darüber informiert, dass die Spielergehälter vom Vorstand um die Hälfte gekürzt und bis zum Eintritt des Erfolgsfalles eingefroren werden sollten.

Dass der 1. FC Kaiserslautern von Beginn an aus einer sicheren Abwehr heraus die Gäste unter Druck setzte und schließlich verdient besiegte, wollte Erik Gerets aber nicht auf diese angekündigte Strafmaßnahme Jäggis zurück führen. „Die Mannschaft hat bewiesen, dass sie gut Fußball spielen kann. Meine Spieler haben nicht alle, aber viele Sachen gut gemacht“, war der Belgier erstmals so richtig stolz auf sein Team, das endlich seine Taktik umgesetzt hatte. Hilfreich war dabei, dass der Tscheche Lokvenc nach überstandener Verletzung wieder dabei sein konnte und sowohl im Angriffszentrum als auch in der Entwicklung des Spiels nach vorn Akzente setzte. Vor allem aber beendete er die lange torlose Zeit vor heimischem Publikum, als er nach einer Viertelstunde eine Flanke des zum ersten Mal überzeugenden Portugiesen José Dominguez aufnahm und alle – Mannschaft, Publikum, Trainer und René C. Jäggi – erlöste. Die Begeisterung erinnerte, auch nach dem Schlusspfiff, fast an die vor viereinhalb Jahren, als der 1. FCK am vorletzten Spieltag durch ein 4:0 gegen denselben Gegner Deutscher Meister geworden war.

Mit dabei war damals auch Ciriaco Sforza, der nur ein Jahr nach dem Triumph, an dem er als „Trainer mit der Nummer zehn“ (Hattrick) entscheidenden Anteil hatte, den Verein nach einem lang anhaltenden Konflikt mit dem damaligen Trainer Otto Rehhagel verlassen hatte. „Ich weiß nicht, was in den letzten drei Jahren hier passiert ist, aber irgendwas ist in die falsche Richtung gegangen“, sinnierte der Schweizer. Sforza hatte damals davor gewarnt, zu selbstzufrieden zu sein und nur in das Stadion und nicht in die Mannschaft zu investieren. Dass er Recht behalten hat, konnte man gegen Wolfsburg sehen. Erstmals seit langem kamen nur rund 30.000 in das 40.000 Zuschauer fassende Fritz-Walter-Stadion, und es blieben auch auf der pompösen Südtribüne jede Menge teure Sitzplätze leer. Dabei könnten die Lauterer jeden Euro dringend gebrauchen, denn in ihrer Lage (Jäggi: „Wir stehen am Abgrund“) ist es besonders schwierig, neue Sponsoren zu finden. Da ist man schon froh, wenn die alten Gönner bei der Stange bleiben.

„Wir wollen mit allen Mitteln versuchen, nicht abzusteigen“, verkündete der erneut starke Mario Basler, der wieder der zweikampfstärkste Spieler mit den meisten Ballkontakten war. Ihm standen der wieselflinke Dominguez und der unermüdlich rackernde Dimitrios Grammozis in nichts nach. Alle bäumten sich auf und nutzten die letzte Chance, vor Beginn der Winterpause wenigstens den Anschluss im letzten Tabellendrittel zu halten.

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